Gegen den Mystizismus in der Vermögensverwaltung

Ich selbst leite ja eine Vermögensverwaltung in München. Was mir in diesem Bereich der Geldanlage immer wieder auffällt ist, wie diese Tätigkeit häufig „mystifiziert“ wird. Da wird mit Chart-Technik gearbeitet, die an astrologische Berechnungen erinnern, da werden Prognosen gemacht, die an die Vogelschau der Antike erinnern, da werden bestimmte Personen manchmal wie übernatürliche Heilsbringer verehrt, etc. etc.

Dafür, dass wir ja eigentlich in einem aufgeklärten Zeitalter leben, ist das, was man im Bereich Vermögensverwaltung zu sehen und zu hören bekommt, zum Teil sehr seltsam. Von Aberglauben und vagen Heilsversprechungen durchdrungen…

Besonders interessant finde ich, dass das wohl sehr, sehr vielen Menschen gar nicht auffällt. Selbst Volkshochschulen bieten Kurse in Chart-Analyse an. Menschen besuchen Seminare dazu, lassen das bereitwillig in den Wirtschaftsmedien über sich ergehen. Wie kann das sein, dass so wenigen auffällt, dass beispielsweise die Chart-Technik ein monströser Humbug ist?

Und vor allem: Wie kann es sein, dass den Leuten nicht auffällt, dass die Chart-Technik vor allem einen Zweck hat? Nämlich den, dem Geldanlage-Laien zu suggerieren, dass es hier ein schwieriges Spezialwissen gibt, das ihm selbst letztlich nicht zugänglich und verständlich ist. Und dass er dafür für teures Geld einen entsprechenden (angeblichen) Experten engagieren muss.

Die Wahrheit ist, dass der Masse der Anleger ein Scheinwissen vorgegaukelt wird, das faktisch nicht existiert, nur um für die eigene Dienstleistung eine fadenscheinige Existenzberechtigung zu konstruieren.

Wie gesagt, ich bin ja selbst in der Vermögensverwaltung tätig. Und selbstverständlich glaube ich, dass meine Tätigkeit ihre Berechtigung hat und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Aber die Begründung dazu sollte bitte ehrlich und aufrichtig sein.

Und die beste Begründung ist, meiner Meinung nach: die Vermögensverwaltung stellt eine Dienstleistung dar, um dem Anleger eine Tätigkeit abzunehmen, zu der er selbst entweder keine Lust oder keine Zeit hat. Die er aber selbstverständlich prinzipiell auch alleine ohne fremde Hilfe erledigen könnte. Natürlich muss man im Geldanlagebereich wissen, was man tut. Aber ein besonders schwer zu erlangendes, mysteriöses Spezial- oder Geheimwissen gibt es nicht.

Insofern ist eine Vermögensverwaltung nicht viel anders als sehr viele andere Dienstleistungen auch. Ich vergleiche das gerne mit dem Reifenwechsel. Natürlich kann jeder selbst die Reifen seines Autos wechseln. Es gibt aber genügend Menschen, die dazu keine Lust haben oder die Zeit lieber anders verwenden möchten. Das ist auch völlig in Ordnung, schließlich leben wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Der eine hat sich darauf spezialisiert, der andere auf etwas anderes. Und aufgrund dieser Spezialisierungen haben wir alle einen Vorteil.

Genauso nüchtern – entmystifiziert – sollte man auch eine Vermögensverwaltung betrachtet. Der Vermögensverwalter ist spezialisiert auf sein Gebiet und kann daher manche Dinge effizienter und kostengünstiger umsetzen als eine Privatperson. Zudem nimmt der Vermögensverwalter dem Privatanleger Arbeit ab. Er erbringt ihm eine Dienstleistung.

Das ist gut und schön. Was aber Vermögensverwaltung nicht ist, ist eine mysteriöse Tätigkeit, die Wunder bewirken kann. Wie beispielsweise: In die Zukunft schauen, oder hohe Renditen mit minimalen Risiken erzielen, oder immer nur durchgehend hohe Renditen erzielen.

Wer als Kunde von einer Vermögensverwaltung solche „Wunder“ erwartet, darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann einmal enttäuscht werden wird.

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