Was uns die Kursentwicklung der ältesten Aktie der Welt sagt

Die älteste Aktie der Welt ist die niederländische Ostindienkompanie. Genau genommen hieß sie „Vereenigde  Oostindische Comagnie„, abgekürzt VOC. Niall Ferguson beschreibt ihre Geschichte sehr schön in seinem Buch“ Der Aufstieg des Geldes: Die Währung der Geschichte“ ab Seite 114.

Diese Aktie konnte man 1602 für 100 Gulden erwerben. Ihr Kurs stieg ohne allzu großen Schwankungen bis 1733 auf einen Kurs von 786. Dies entspricht einem Wertzuwachs von 1,5% p.a. Dazu kommen aber noch die hohen Dividendenausschüttungen von ca. 12,5% pro Jahr. Auf diese Weise wurden die VOC-Aktionäre in den ersten 130 Jahre durchschnittlich 14 Prozent jedes Jahr reicher.

Und das, wie gesagt, ohne dass es hier zu so etwas wie Spekulationsblasen gekommen wäre. Der Handel der VOC-Aktie verlief vielmehr über 130 Jahre ziemlich kontinuierlich.

Ein kluger Mann um das Jahr 1733 hätte also durchaus zu dem Schluss kommen können, dass diese Erfolgsgeschichte der VOC-Aktie weitergeschrieben werden würde. Immerhin konnte man eine sehr guten historischen Mittelwert über die letzten 131 Jahre bilden. Wenn das keine lange Zeitreihe ist!

Nur leider hätte dem Anleger damals dieser historische Mittelwert überhaupt nichts genutzt. Denn ab 1733 ging es abwärts. Und zwar so kontinuierlich wie es die ersten 131 Jahre aufwärts ging, so kontinuierlich (nur ein wenig schneller) ging es dann abwärts. 1794 schließlich lag der VOC-Kurs bei 120.  Das ist ein durchschnittlicher Wertverlust von -3,0 % pro Jahr.  Endgültig aufgelöst wurde die VOC im Jahre 1798.

13 Kommentare
  1. Klaus
    Klaus sagte:

    Lieber Herr Peterreins, was wollen Sie damit sagen? Dass eine einzelne Aktie auch nach langer positiver Entwicklung plötzlich abschmieren kann, ist doch eine allgemein bekannte Banalität.

    Oder etwa nicht? 😉

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ich habe letztens eine Buchbesprechung von Gerd Kommers Buch „Mieten oder Kaufen?“ geschrieben. Dieses Buch fand ich hervorragend. Nur eine Kleinigkeit missfiel mir. Nämlich dass Gerd Kommer behauptete, dass man zwar nicht von einer 5-jährigen Zeitreihe auf die weitere künftige Entwicklung von Kapitalmarktrenditen schließen könne, wohl aber, wenn denn die Zeitreihe 20 oder 30 Jahre zurückreicht. Gerd Kommer meint, dass man hier einen Mittelwert bilden könne, der einem einen Hinweis auf die weitere Entwicklung gibt.

      Ich hingegen behaupte, dass alle Vergangenheitsdaten, egal ob 5 Jahre zurück oder 30 Jahre zurück, ungeeignet sind, um Aussagen über künftige Entwicklungen zu machen. Der Schluss von der Vergangenheit auf die Zukunft ist gerade im Geldanlage-Bereicht prinzipiell nicht erlaubt. So meine These.

      Gerd Kommer hat in einer ausführlichen Email darauf geantwortet und mir gestatet, diese E-Mail auf diesem Weblog zu veröffentlichen.

      Ich will nun anhand theoretischer Argumente einerseits und anhand konkreter Beispiele andererseits darlegen, dass meine These stimmt.

      Und hier wählte ich das Beispiel der VOC-Aktie, da hier bemerkenswert lange Zeitreihen existieren. Natürlich ist es eine Banalität, dass manche Aktien über lange Zeit sehr gut laufen, und dann abschmieren. So banal das klingen mag, so stützt das exakt meine These und widerlegt Gerd Kommers Behauptung. Denn offenbar kann man selbst dann, wenn man den Mittelwert über eine Zeitreihe von Renditen, die eine Aktie über 100 Jahre hatte, nicht ernsthaft glauben, dass es langfristig so mit dieser Aktie weitergehen müsse.

      Selbst eine Vergangenheit von 100 Jahren zurück, gestattet es mir nicht auf die Zukunft zu schließen. Recht betrachtet, da stimme ich Ihnen zu, ist das eigentlich eine Banalität. Genau diese Banalität widerlegt aber die These Gerd Kommers.

      Jetzt mag jemand vielleicht argumentieren: „Ja, das ist ja eine einzelne Aktie. Wie steht es aber mit einem Aktienindex? Vielleicht kann man hier von einer vergangenen Entwicklung auf die Zukunft schließen?“

      Auch das ist natürlich offensichtlich nicht nachvollziehbar. Denn genauso wie eine einzelne Aktie (wie Sie sich ausgedrückt haben) plötzlich abschmieren kann, so kann offenbar ein ganzer Markt plötzlich abschmieren. Man denke an russische Aktien nach dem Ersten Weltkrieg. Oder ägytpsiche Aktien jetzt während des Umsturzes. Oder man vergleiche die Dynamik deutscher Aktien während der 1950er und 1960er Jahre mit der Entwicklung von 2000 bis 2010. Auch hier, denke ich, ist es eine Banalität zu erkennen, dass da früher etwas ganz anders lief als eben die letzten Jahre.

      Wenn es aber sehr unterschiedliche Marktphasen geben kann, dann macht es keinen Sinn einen langfristigen Mittelwert zu bilden. Wer sagt uns, dass wir nicht für die nächsten 20 Jahre in eine Marktphase kommen, die vollkommen unvergleichbar ist mit all dem, was wir bisher erlebt haben? Und das meine ich nicht nur negativ, es könnte ja auch eine bemerkenswert positive Marktphase werden, beispielsweise bei der wer 15% Rendite pro Jahr haben werden. Wer kann ausschließen, dass so etwas kommen wird?

      Und gesetzt den Fall, dass wir die nächsten 20 Jahre jedes Jahr 15% Rendite an den Aktienmärkten haben werden, wer sagt uns, dass es dann (also im Jahr 2031) für die weiteren 20 Jahre genauso weitergehen wird? Immerhin würden wir dann (im Jahr 2031) auf einen sehr positiven Rendite-Mittelwert zurücksehen können.

      Was ich also sagen will: Man kann nicht von vergangenen Marktdaten auf eine zukünftige Entwicklung schließen, und da ist es vollkommen egal, ob man 5 Jahre statistisch auswertet, 20 Jahre oder 100 Jahre. Eigentlich eine Banalität, wie Sie richtig sagen.

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  2. Klaus
    Klaus sagte:

    Danke für die ausführliche Antwort!

    Dass Sie eine Diskussion mit Herrn Kommer führen, habe ich mitbekommen. Diese erschien mir aber sehr akademisch, da habe ich mich nicht weiter einmischen wollen.

    Ich habe ja Herrn Kommers Buch nicht gelesen (muss ich wohl mal noch nachholen), aber aus dem was ich hier im Blog lese gewinne ich den Eindruck, dass Sie beide Recht haben. Vielleicht habe ich aber auch etwas falsch verstanden, wenn, korrigieren Sie mich bitte.

    Herr Kommer hat doch insofern Recht, dass die durchschnittliche Marktentwicklung umso valider berechenbar ist, desto mehr Daten (in Ihren Worten: Marktphasen) in die Berechnung des Durchschnitts einfließen. Wenn wir also eine längere Phase schlechter Entwicklung haben, wird der Durchschnittswert dadurch ja ebenfalls negativ beeinflusst.

    Auf der anderen Seite haben Sie natürlich Recht, dass man nicht auf Basis des Durchschnittswertes vorhersagen kann, dass z.B. der Dax im nächsten Jahr um so und so viele Punkte steigen wird. Man kann höchstens mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, dass sich die Dax-Entwicklung in einer gewissen Spannbreite um den Durchschnitt bewegen wird. Und es mit geringer Wahrscheinlichkeit aber auch Ausreißer (oder „schwarze Schwäne“) geben kann. Siehe Ihr Beispiel der russischen Revolution, die mal eben das gesamte Wirtschaftssystem abgeschafft hat.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Diese Diskussion mag vielleicht den Anschein haben, sehr akademisch zu sein. Tatsächlich trifft sie einen sehr wichtigen Punkt in der Praxis des Geldanlegens. Ich sage: Ja, historische Marktdaten sind interessant. Und zwar um zu sehen, was es schon alles gab und was somit alles möglich ist. Ein Kursverlust am Aktienmarkt von beispielsweise mehr als 10% an einem Tag ist möglich, das zeigt uns die Vergangenheit.

      Ich glaube aber nicht, dass man einen Mittelwert über vergangene Marktdaten bilden kann und dann sagen kann: So wird es wohl auch in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren weitergehen. Und da ist es vollkommen egal, ob man eine Zeitreihe betrachtet, die 5 Jahre zurückreicht oder 30 Jahre. Insofern stimme ich Ihnen auch nicht zu, wenn Sie sagen, dass die durchschnittliche Marktentwicklung „valider berechenbar ist, desto merh Daten in die Berechnung des Durchschnitts einfließen.“ Das genau ist ja die Täuschung. Die Leute meinen: „Naja, 5 Jahre auszuwerten ist nicht so aussagekräftig im Vergleich zu 30 Jahren.“ Ich sage: Beides gleichermaßen nicht aussagekräftig.

      Meine Behauptung ist (die ich in meinen nachfolgenden Beiträgen noch weiter ausführen werde): Solche Vergangenheitsbetrachtungen sind erstens nicht hilfreich, zweitens führen sie aber in der Praxis der Geldanlage sehr häufig in die Irre.

      Was haben denn die Banker vor der Finanzkrise im Wesentlichen falsch gemacht: Sie haben von der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen. Ihre ganzen Modelle wären perfekt gewesen, wenn die Vergangenheit bis (sagen wir) 2007 so weitergegangen wäre. Um präzise zu sein: Die Korrelationen, wie sehr die Pleiten verschiedener US-Häuslebauer miteinander zusammenhängen, war bis 2007 nahe Null. Dann kam die Finanzkrise und plötzlich stieg diese Korrelation deutlich in Richtung 1. Und bums, mit einem Male stimmte dei ganze CDO-Mathematik nicht mehr.

      Bitte glauben Sie also nicht, ich führe hier eine akademische Diskussion. Sie trifft wirklich ins Herz pratkischen Geldanlegens.

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  3. Klaus
    Klaus sagte:

    Was haben denn die Banker vor der Finanzkrise im Wesentlichen falsch gemacht: Sie haben von der Vergangenheit auf die Zukunft geschlossen.

    Das sehe ich anders. Das Problem war, dass selektiv ein bestimmter Abschnitt der Vergangenheit betrachtet, von diesem auf die Zukunft extrapoliert und dabei andere, korrigierende Vergangenheitsdaten außer Acht gelassen wurden.

    Denn selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob man nur die Daten der vergangenen 5 Boomjahre heranzieht oder die Daten der vergangenen 50 Jahre betrachtet, in denen dann auch die eine oder andere Dürrephase relativierend enthalten ist.

    Das ist der Punkt, bei dem ich Herrn Kommer zustimmen würde.

    Auf der anderen Seite haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass es unabhängig von Vergangenheitsdaten zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen kann.

    Ich glaube, der Unterschied liegt in der Wahrscheinlichkeit solcher „überraschender Wendungen“. Wenn man nur einen kurzen Zeitraum als Basis für Extrapolation heranzieht, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass man von unerwartet abweichenden Ereignissen überrascht wird, als wenn man sehr weit in die Vergangenheit zurückreichende Daten nutzt.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Der springende Punkt bei der Bewertung von CDOs ist die Korrelation von Pleiten verschiedener Kreditnehmer. Also die Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit von Herrn Jones in Nevada möglicherweise zusammenfällt mit der Zahlungsunfähigkeit von Herrn Miller in Arizona. Wenn man sich das im Jahr 2006 angesehen hat, auch über 50 Jahre zurück, dann konnte man feststellen, dass diese Korrelation historisch immer sehr niedrig war, fast bei Null. Ist ja auch intuitiv einleuchtend, dass eine Zahlungsunfähigkeit eines Herrn Jones erst mal relativ wenig mit einer Zahlungsunfähigkeit eines Herrn Miller zu tun hat.

      Dann kam aber die Krise ab 2007 und mit einem Male war eine Großzahl amerikanischer Kreditnehmer mit einem Schlag pleite. Die Korrelation zwischen Herrn Jones und Herrn Miller schnellte mit einem Male in Richtung 1. Das ist ein Wert, den man nicht im Traum der Zeitreihe der letzten 50 Jahre hätte entnehmen können.

      Es waren also nicht nur die Boomjahre, die übrigens nicht 5 Jahre zurückreichten, sondern ab 1996 begannen. Die US-Immobilien dauerte sage und schreibe 10 Jahre, bis sie platzte.

      Dei überraschenden Wendungen können auch kommen, selbst dann, wenn man 100 Jahre zurückgeht. Siehe meine Beispiele: Gold-Silber-Ratio und VOC-Aktie. Die Gold-Silber-Ratio war 500 Jahre lang etwa bei 12, bis sie dann ab der Neuzeit zu steigen begann. Und die VOC-Aktie stieg und stieg über 100 Jahre lang, bis sich die Sache drehte.

      Lange Zeiträume liefern keine besseren Schätzungen dafür wie es weitergeht als kurze. Beide sind gleich schlecht.

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  4. Klaus
    Klaus sagte:

    OK, dann nehmen wir mal für einen Moment an, Ihre radikale These ist korrekt:

    Meine Behauptung ist (die ich in meinen nachfolgenden Beiträgen noch weiter ausführen werde): Solche Vergangenheitsbetrachtungen sind erstens nicht hilfreich, zweitens führen sie aber in der Praxis der Geldanlage sehr häufig in die Irre.

    Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das doch, dass Sie Ihren Job an den Nagel hängen müssten. Denn wenn jetzt ein Kunde zu Ihnen kommt und sagt „Herr Peterreins, ich habe hier 100.000 Euro und will, dass daraus bis zu meiner Rente 500.000 werden, damit ich mir eine Finca in Mallorca kaufen kann“, dann würde es keinen Unterschied machen, ob Sie ihm empfehlen, die 100.000 Euro als Tagesgeld, in Aktien oder Gold anzulegen. Eigentlich könnten Sie ihm auch gleich empfehlen, Lotto zu spielen.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Vielen Dank für Ihren Kommentar. Auch Gerd Kommer bringt als Punkt 11 in seinem Beitrag einen ähnlichen Einwand.

      Ich hatte bereits vor, zu diesem Thema ausführlich zu schreiben. Und ich werde das in einer meiner nächsten Blog-Beiträge machen.

      Um Ihnen vorweg zu antworten: Nein, meine Einstellung zu den Kapitalmärkten hat nicht zur Folge, dass ich meinen Job aufgeben müsste. Vielmehr führt meine Einstellung dazu, meinen Job richtig zu machen und nicht mit der häufig verbundenen Scharlatanerie.

      In einem Punkt haben Sie natürlich recht: Sehr, sehr viele Asset-Manager (professionelle wie nicht-professionelle) glauben daran, das man an der Vergangenheit irgendetwas Allgemeingültiges herauslesen könnte. Wer so seinen Geldanlage-Job betreibt, da gebe ich Ihnen recht, wird natürlich durch meine Auffasung radikal in Frage gestellt.

      Wie würde ich vorgehen, wenn jemand zu mir kommt und sagt er will 100.000 Euro anlegen, so dass in der Zukunft darauf 500.000 Euro werden. Zunächst einmal freue ich mich, weil hier die Sache schon sehr klar ist. Meiner Erfahrung nach, haben die meisten Anleger nämlich kein sehr klar formuliertes Anlageziel. Das einzige, was hier noch fehlt ist der Zeitrahmen.

      Nehmen wir einmal an, der Anleger hat heute 100.000 Euro und will in 30 Jahren daraus 500.000 Euro gemacht haben. Das ist dann erst mal eine sehr einfache Mathematik: Der Anleger benötigt eine Netto-Rendite von mindestens 5,52% p.a., um dieses Ziel zu erreichen. Da man die Abgeltungsteuer mit berücksichtigen muss, ist die Zielrendite vor Steuern: 7,67% (denn 7,67% x (1-0,28) = 5,52%).

      Jetzt ist mein Vorgehen so, dass ich immer versuche einen risikominimierten Anlagevorschlag zu erstellen, mit dem das Anlageziel noch erreichbar ist. Ich prüfe also als erstes, ob das Anlageziel möglicherweise schlicht durch Festgel/Tagesgeld erreichbar ist. Das ist in diesem Beispiel offenbar nicht der Fall, denn Festgeld/Tagesgeld bringt derzeit in der Spitze etwa 2%. Wenn man 7,67% benötigt also deutlich zu wenig.

      Klar ist also, dass der Anleger Risiken eingehen muss, um überhaupt eine Chance zu haben sein Anlageziel zu erreichen. Ich werde ihm also einen Anlagevorschlag machen, bei denen riskante Anlageformen wie beispielsweise Aktien-ETFs das Schwergewicht bilden. Ich werde dem Kunden sagen, dass nur so überhaupt die Möglichkeit besteht, sein Anlageziel zu erreichen. Wenn er heute in Festgeld/Tagesgeld anlegt, wird er zwar nur ein sehr, sehr geringes Risiko haben, aber wir wissen bereits heute so gut wie sicher, dass er die avisierten 500.000 Euro nicht erreichen wird.

      Um überhaupt die Chance zu haben (nicht die Sicherheit), sein Anlageziel zu erreichen, muss der Anleger in riskante ETFs gehen. Mein Argument ist aber nicht, dass er auf diese Weise sein Anlageziel mit Gewissheit erreicht wird. Ich sage nur: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass mit Aktien solche Renditen möglich sind; möglicherweise werden Aktien in den nächsten Jahren sogar bessere Renditen erzielen, möglicherweise aber auch schelchtere“. Ich sage aber nicht: „Der 30-Jahre-Mittelwert über Aktienrenditen lag bei 8,2%, ALSO werden Sie auch für die kommenden 30 Jahren mit dieser Rendite rechnen können.“

      Sehen Sie den Unterschied? Ich argumentiere mit Möglichkeiten und nicht mit verallgemeinerten Notwendigkeiten. Und eines können Sie mir glauben, dass mein Ansatz in der Praxis viel glaubwürdiger ist, als vorzugaukeln, man hätte irgendein Wissen über künftige Aktienkursentwicklungen. Ich sage meinen Kunden: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Vielleicht meinen andere Vermögensverwalter, dass man dann den Job des Vermögensverwalters ja gar nicht mehr brauchen würde. Denn viele meinen, ein guter Vermögensverwalter sei einer, der mehr über die Zukunft wisse als andere.

      Da bin ich mir aber mehr als sicher, dass das nicht der Fall ist. Wir alle kochen nur mit Wasser. Ich meine, dass es NICHT das Zeichen einer guten Vermögensverwaltung ist, einen Blick in die Zukunft zu haben (das hat nämlich niemand). Das wirkliche Zeichen guer Vermögensverwaltung ist vor allem eines: Risikomanagement.

      Und wer sich über künftige Entwicklungen zu sicher ist, neigt dazu, das Risikomanagement zu vernachlässigen. Daher denke ich, dass der Schluss von Vergangenheitsdaten auf küfntige Entwicklungen eher hinderlich dafür ist, seinen Job als Vermögensverwalter gut auszuüben. Vergangenheitsdaten sind sehr gut dafür geeignet, einem den Blick auf Risiken zu vernebeln. Und wenn die Vergangenheitsdaten auch noch im Kleide der Wissensschaft daherkommen, dann wird das Sicherheitsgefühl noch einmal größer und der Nebel noch einmal dichter.

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  5. Klaus
    Klaus sagte:

    Ah, und genau das sage ich doch auch die ganze Zeit, nur mit etwas anderen Worten:

    Sehen Sie den Unterschied? Ich argumentiere mit Möglichkeiten und nicht mit verallgemeinerten Notwendigkeiten.

    Ich habe nicht von Möglichkeiten, sondern von Wahrscheinlichkeiten gesprochen. Die sich natürlich aus Vergangenheitsdaten ergeben, und diese Vergangenheitsdaten nutzen auch Sie für Ihre Analyse, siehe:

    Wenn er heute in Festgeld/Tagesgeld anlegt, wird er zwar nur ein sehr, sehr geringes Risiko haben, aber wir wissen bereits heute so gut wie sicher, dass er die avisierten 500.000 Euro nicht erreichen wird.

    Woher wissen wir, dass er das Anlageziel mit Festgeld nicht erreichen wird? Aus den Vergangenheitsdaten! Würden wir die Aussagekraft von Vergangenheitsdaten komplett negieren, wäre es ja durchaus möglich, dass Tagesgeld über die nächsten 30 Jahre viel mehr Rendite bringt als Aktien. Auch für die Risikoabschätzung brauchen Sie ja Vergangenheitsdaten, und die sind einfach desto verlässlicher, je weiter gefasst der betrachtete Zeitraum ist.

    Wie Sie sagen: Vergangenheitsdaten sind wichtig und hilfreich, solange man Sie zur Abwägung von Wahrscheinlichkeiten betrachtet.

    Antworten
    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Ich möchte richtig verstanden werden. Es gibt einen umgangsprachlichen Gebrauch von „wahrscheinlich“, der sehr ähnlich dem umgangssprachlichen Gebrauch von „möglich“ ist. Ich kann z.B. zu meinem Kind sagen: „Wenn du da so rumturnst, fällst du wahrscheinlich runter.“

      Es gibt aber auch noch einen wissenschaftlich-mathematischen Gebrauch des Wortes „Wahrscheinlichkeit“. Z.B. wenn ich bei einem Würfel sage, dass die „Wahrscheinlichkeit dafür, eine 6 zu würfeln, bei 1/6 liegt.“ In diesem Fall kann man von klar quantifizierbaren Dingen sprechen, von mathematischen Begriffen wie Erwartungswert, Standardabweichung, Wahrscheinlichkeitsverteilung.

      Wenn ich meinem Sohn sage „Wenn du so rumturnst, fällst du wahrscheinich runter“, dann habe ich keinen Erwartungswert im Kopf, noch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung noch eine Standardabweichung. Ich könnte auch nicht sagen, ob die Wahrscheinlichkeit des Runterfallens bei 1/6 oder bei 1/120 liegt.

      Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass auch ich Vergangenheitsdaten im Beratungsgepräch verwende, um umgangssprachlich Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten anzugeben. Ich sage z.B. so Dinge wie:
      „Sehr häufig war es so, dass wenn die Inflation steigt, auch die Tagesgeldsätze steigen.“ oder
      „Der DAX ist schon ein paar Mal an einem Tag mehr als 5 Prozent gefallen, auch für die Zukunft ist nicht auszuschließen, dass wir wieder ein solches Ereignis erleben werden.“

      Der entscheidende Punkt aber (den ich hier über viele, viele Blog-Beiträge versuche zu machen) ist, dass ich mit diesen Aussagen nicht über mathematisch-wissenschaftliche Wahrscheinlichkeiten reden kann.

      Natürlich kann ich statistisch Vergangenheitsdaten auswerten, und komme dann vielleicht zu dem Ergebenis, dass die 97,2% der Fälle, wenn die Inflation angestiegen ist, auch die Tagesgeldrenditen angezogen sind. Das kann man gerne machen. Das ist für sich genommen auch interessant. Ich wäre halt sehr, sehr vorsichtig, diese Zahl auf die Zukunft zu prognostizieren. Nach dem Motto: „Weil das in der Vergangenheit bei einer Quote von 97,2% lag, wird das auch in der Zukunft bei 97,2% liegen.“

      Oder: „Weil es in der Vergangenheit mit einer Häufigkeit von 3,27% der Fälle so war, dass der DAX eine Tagesrendite von -5% und schlechter hatte, deswegen wird auch in Zukunft die Wahrscheinlichkeit bei 3,27% liegen, dass der DAX einen Verlust von -5% oder mehr macht,

      Solche Aussagen gaukeln eine Wissenschaftlichkeit vor, die faktisch nicht da ist. DAS ist mein Kritikpunkt. Oder eben auch an folgenden Schluss glaube ich nicht: (A) „Weil der DAX in der Vergangenheit durchschnittlich eine Rendite von 8,2% Rendite p.a. erzielt hat, deswegen wird der DAX auch in Zukunft eine durchschnittliche Rendite von 8,2% p.a. haben.“

      Wohl aber glaube ich an eine Aussage der Form: (B) „Der DAX hatte in der Vergangenheit eine Rendite von 8,2%, also ist es in der Zukunft möglich, dass er wieder über ein paar Jahre eine durchschnittliche Rendite von um die 8% erzielen wird, das kann aber auch deutlich höher sein oder deutlich darunter, präzise kann das keiner sagen.“

      Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich klar genug ausgedrückt habe. Vielleicht kommt dem einen oder anderen das als Spitzfindigkeit vor. Aber ich hoffe, dass man sehen kann, dass zwischen der Aussage (A) und der Aussage (B) ein gewichtiger logischer Unterschied besteht.

      Und noch ein Nachtrag: Sie sagen „Woher wissen wir, dass er das Anlageziel mit Festgeld nicht erreichen wird? Aus den Vergangenheitsdaten!“

      Das stimmt aber ganz und gar nicht. Die Tagesgeldrendite liegt halt nun mal aktuell bei ca. 2%. Wenn jemand eine Zielrendite von 5% hat, dann bekommt er die einfach nicht mit Tagesgeld. Das ist keine Frage, Vergangenheitsdaten auszuwerten. Sondern so sind halt aktuell die Angebote. Punkt.

      Gerade im Gegenteil zeigt das ja wieder sehr schön, was ich eigentlich sagen möchte. Nehmen wir einmal an, man wertet vergangene Tagesgeldsätze über die letzten 30 Jahre aus und kommt auf eine durcschnittliche Verzinsung von 5%, dann nützt das im Anlageberatungsgespräch herzlich wenig. Denn auch wenn man 5% im Durchschnitt in der Vergangenheit erzielen konnte (sagen wir mal), so ist es doch eine unumstößliche Gewissheit, dass man aktuell eben keine 5% Tagesgeldzinsen bekommt.

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  6. Torben Hottenfeld
    Torben Hottenfeld sagte:

    Für mich gibt es ohnehin kaum noch Aktien, deren Konzept mich so überzeugt, dass ich davon ausgehe, dass es sie noch in 30 Jahren geben wird. Selbst die einstigen Dividenden-Lieblinge wie Nestle oder Novartis überzeugen nicht mehr. Da können die Dividenden noch so gut ausfallen.

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  7. Erni
    Erni sagte:

    Schöner Artikel um 3 Uhr Nachts für jemanden wie mir, der sich gerade die Augen reibt und sich wunder, da ich leider noch nicht investiert habe und zur Fraktion chronisch blank (trotz gutem Einkommen) gehöre.

    Ich verstehe aber den Autor und finde seine Perspektive schlüssig und gut. Die Denkweise gefällt mir, es wirkt sehr wach und bewusst. Warum aber Menschen es anders sehen könnte doch an der Art unseres „Erkenntnisgewinnes“ liegen. Viele Menschen bzw. viel mehr Menschen als jemals zuvor, wenden „Wissenschaft“ an, die mittlerweile den westlichen Mainstream erobert hat ( was ich sehr gut finde)!

    Also, ich für meinen Teil erkläre mir das durch den Falsifikationismus.

    Hierzu habe ich mal was rausgesucht:-)
    Gute Nacht zusammen und viel Freude beim verstehen.

    Thomas S. Kuhn vertrat die Auffassung, dass Wissenschaftler im normalen Wissenschaftsbetrieb nicht nach Falsifikationen suchen, sondern innerhalb eines akzeptierten Paradigmas – einer grundlegenden Theorie – an der Lösung von Rätseln und der Klärung von Anomalien arbeiten (‚Normalwissenschaft‘). „Kein bisher durch das historische Studium der wissenschaftlichen Entwicklung aufgedeckter Prozess hat irgendwelche Ähnlichkeit mit der methodologischen Schablone der Falsifikation durch unmittelbaren Vergleich mit der Natur.“[15] Wissenschaftlicher Wandel entsteht nach Kuhn erst, wenn die Anomalien so groß sind, dass es zu einer wissenschaftlichen Krise kommt. Eine solche Krise findet statt, wenn das Paradigma aufgrund der Anomalien seine allgemeine Anerkennung verliert und so die Einigkeit unter den Wissenschaftlern bezüglich der Grundlagen zersplittert wird. (Für Popper trifft genau das Gegenteil zu: Für ihn ist hochentwickelte rationale Wissenschaft nur dann gegeben, wenn die Wissenschaftler sich über die Grundlagen uneinig sind; Einigkeit und allgemeine Anerkennung sieht er als Krise – „orthodoxy is the death of knowledge, since the growth of knowledge depends entirely on the existence of disagreement“.) Erst dann wird nach neuen grundlegenden Theorien – neuen Paradigmen – gesucht (‚außerordentliche Wissenschaft‘). Wenn überhaupt, dann werde nur diese von Poppers Falsifikationismus beschrieben. Solche neuen Paradigmen sind mit den alten oft inkommensurabel, stellen also Strukturbrüche dar und keinen Erkenntnisfortschritt im Sinne der Kumulation von Wissen.

    Einen grundlegenden Fehler Poppers sah Kuhn außerdem in der Konzeption der empirischen Beobachtungssätze. Um als wissenschaftliches Instrument wirksam zu sein, müsse die Falsifikation einen endgültigen Nachweis erbringen, dass die geprüfte Theorie widerlegt sei. Da Falsifikationshypothesen aber empirisch sind, können sie selbst wiederum widerlegt werden. Daraus folgte für Kuhn, dass die kritische Diskussion konkurrierender Theorien nicht sinnvoll ist. Der Wechsel zu einem neuen Paradigma ist daher eher mit einer politischen Entscheidung oder einer religiösen Bekehrung zu vergleichen.

    Wolfgang Stegmüller hat mehreren Aspekten der Auffassung Kuhns eine rationale Rekonstruktion im Rahmen des strukturalistischen Theorienkonzepts nach Joseph D. Sneed gegeben. Dabei kann beispielsweise ein Scheitern einer Anwendung stets auch rationalerweise so behandelt werden, dass das betreffende physikalische System aus der Menge der intendierten Anwendungen der Theorie ausgeschlossen wird. Die Theorie selbst ist damit also nicht falsifiziert.

    Falsifikationismus

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Sie schreiben: „Viele Menschen bzw. viel mehr Menschen als jemals zuvor, wenden ‚Wissenschaft‘ an, die mittlerweile den westlichen Mainstream erobert hat.“ Ja, das stimmt und ich bin ein großer Anhänger von Wissenschaft und hänge auch selbst einer „Wissenschaftlichen Weltauffassung“ an(so der Titel einer Programmschrift des Wiener Kreises, den ich extrem interessant finde). Man kann aber auch beobachten, dass viele sich heutzutage auf Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit berufen, ohne dass es tatsächlich wissenschaftlich ist. Es grassiert, ich denke, wie kaum jemals zuvor der Schein von Wissenschaftlichkeit. Wie gerne berufen sich Leute auf die Wissenschaft, um zu behaupten, dass etwas „absolut gewiss“ sei; die Wissenschaft hätte es ja bewiesen. Nun muss man sich nur daran erinnern, dass die Wissenschaft einst „bewiesen“ hat, dass es Hexen gibt, dass es einen Äther gibt. Was auch viele vergessen haben, der unsägliche Rassismus galt um 1900 als „wissenschaftliche Gewissheit“. Um 1970 waren sich die Wissenschaftler fast einhellig einig, dass eine Eiszeit unmittelbar bevorstehen würde. etc. etc. Die Liste der wissenschaftlichen Irrtümer ist ellenlang. Das spricht aber auch nicht gegen die Wissenschaft. So ist Wissenschaft eben. Man versucht sich die Welt so rational wie möglich zu erklären, hat ein paar Argumente, ein paar Erfahrungstatsachen als Referenzen (ein paar andere Erfahrungstatsachen werden einfach geleugnet, nicht zur Kenntnis genommen oder als irrelevant wegerklärt). Und es gehört zur wissenschaftlichen Einstellung, sich immer eine gewisse Portion Skepsis zu bewahren. OK, der Stand der Wissenschaft ist gerade so und so, aber vielleicht lachen wir in 20 Jahren darüber … Man muss sich eben darüber im Klaren sein, dass Wissenschaft nicht ein System absolut wahrer Aussagen ist (ich schließe hier mal die Mathematik aus), das ist – meiner Meinung nach – der Kern der Wissenschaftlichkeit. Und viele, wie gesagt, die derzeit sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse berufen, haben diese Grundeinstellung gerade nicht. Noch schlimmer ist es natürlich im Finanzbereich. Hier sehen sich ein paar Hobby-Statistiker ein paar Charts an, bei denen zwei Finanzwerte meinetwegen über einen Zeitraum von 30 Jahren miteinander verglichen werden, und stellen dann auf dieser Basis irgendwelche Behauptungen auf – und meinen noch wissenschaftlich zu sein (man hat ja Korrelationen und Standardabweichungen ausgerechnet). Aber das ist ja nicht mal ansatzweise wissenschaftlich; es ist ausschließlich schein-wissenschaftlich.

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